E – In zwölf Halbtonschritten durch das Jahr 2021

Ein bisschen Wind

Mai

Ohne Luft – keine Töne. Eine Orgel lebt von ihrem Atem, der im Orgelhandwerk Wind genannt wird. Er entsteht im Motor. Von dort wird er in die Schikane geblasen, wo die starken vom Motor erzeugten Wirbelungen umgelenkt und beruhigt werden. Hauptsächlich findet dies zur Schallminimierung statt. Wind soll nur durch die Pfeifen tönen und an keiner anderen Stelle hörbar sein. Ein Orgelbauer versucht alle Fluchtmöglichkeiten zu verhindern. Kanäle und Pfeifenstöcke werden von innen mit Leim ausgestrichen, um sein Entweichen durch die Hirnholzfläche zu verhindern.

Dass einer Orgel auch bei einem Tutti nicht die Puste ausgeht, erfordert sorgfältige Planung. Das Zusammenspiel zwischen Windproduktion des Motors und Speicherung im Balg muss passen, nur so entsteht der perfekte Winddruck. Dieser ist ausschlaggebend für den Klang des Instruments, denn die Pfeifen werden nach einem bestimmten Winddruck intoniert. Doch wie misst man eigentlich Wind? Ein besonders Werkzeug der Orgelbauer ist die Windwaage. Dabei handelt es sich um eine u-förmige mit Wasser gefüllte Glasröhre, die basierend auf dem Prinzip der kommunizierenden Röhren den Winddruck anzeigt. In der Praxis nutzt man heutzutage meistens ihre elektronische Nachfolgerin. In der Rensch Orgelwerkstatt hat das klassische Modell noch seinen festen Platz am Blasebalg in der Werkstatt.

 

© Ayleen Kern, 04.05.2021